Wahlbetrug bei der Wirtschaftskammerwahl 2020
Was ist daraus geworden?
Als im Zuge der Wirtschaftskammerwahlen im Burgenland vom 4. bis 6. März 2020 die Stimmen ausgezählt werden, bemerkt die damalige Regionalsprecherin der Grünen Wirtschaft und nunmehrige Landessprecherin und Klubobfrau der GRÜNEN, Anja Haider-Wallner, Unregelmäßigkeiten. Wegen der damals herrschenden Corona-Krise zögert sie lange, bevor sie dann doch an die Öffentlichkeit geht.
Beim Auszählen der Stimmen der Fachgruppe Personenberatung und Betreuung (127) – die sogenannten 24-Stunden-Betreuer:innen sind mit 10,73 % der insgesamt abgegebenen Stimmen die mitgliederstärksten Gruppen der Wirtschaftskammer – bemerkt Haider-Wallner, „dass auf etlichen Stimmzetteln mit sehr ähnlicher Schrift und teilweise mit demselben Stift immer wieder dieselben Namen in das für Vorzugsstimmen vorgesehene Feld geschrieben waren.“ Kandidiert haben die Agentur-Besitzer*innen, die dann die Betreuer*innen vertreten sollen. Als sie darauf hinweist, wird sie aus dem Raum geschickt. Ihr Antrag, ihren Eindruck und Zweifel zu protokollieren, wird abgelehnt. In der Folge wird von der Wählergruppe Grüne Wirtschaft am Mittwoch, 11.3.2020, Einspruch gegen das Urwahlergebnis in der Fachgruppe 127 eingebracht und Haider-Wallner erstattet Anzeige bei der Staatsanwaltschaft.
Zahlreiche Verfahren mit Verurteilungen
Mit Juli 2024 schließlich waren sämtliche Verfahren abgeschlossen, mit folgenden Ausgängen:
● Verurteilung gegen einen Wirtschaftsbund-Funktionär in Neusiedl
● Diversion bei zwei Mitarbeiterinnen einer Agentur im Südburgenland
● Das Verfahren gegen die Agenturbesitzerin, die für den Wirtschaftsbund angetreten ist, ist in ein Verfahren wegen Sozialbetrugs – der sonst nicht aufgeklärt worden wäre! – mit anschließender Verurteilung aufgegangen.
● Verfahren ihren Chauffeur wegen Unauffindbarkeit nicht möglich
● 2 Verfahren gegen Agenturbesitzerinnen, die für den sozialdemokratischen Wirtschaftsverband angetreten waren, mittels Diversion erledigt
Die Hauptwahlkommission bei der Wirtschaftskammerwahl 2020 ist im Burgenland erst sehr spät tätig geworden. Die Wahl in Gruppe 127 (Personenberatung und Betreuung) wurde zwar für nichtig erklärt, jedoch ohne weitere Folgen, da eine erneute Wahl nach dem regulären Wahltermin gelegen wäre. Das bedeutet, dass in der Wirtschaftskammer die letzten 5 Jahre hindurch tatsächlich ein nicht demokratisch gewähltes Gremium tätig war.
Grüne Wirtschaft fordert dringende Wahlrechtsreform
Geht es nach der Grünen Wirtschaft, bedarf es einer Wahlrechtsreform. Zahlreiche Anträge wurden hierzu in den Wirtschaftsparlamenten eingebracht. Zum Beispiel würde eine Direktwahl der Delegierten zum Wirtschaftsparlament auf gesondertem Stimmzettel eine reelle Verteilung der Sitze für alle Fraktionen gewährleisten.
Das passive Wahlrecht für alle Unternehmer*innen stellt eine weitere Forderung dar.
„Wieso sind Schweizer Staatsbürger*innen, die ein Unternehmen in Österreich haben, die ihre Umlagen zahlen, SVS-Beiträge und Steuern abliefern, von einer Kandidatur in ihrer Fachgruppe ausgeschlossen, und zum Beispiel slowakische oder auch türkische Unternehmer*innen können problemlos in ihren Fachgruppen kandidieren?“, so Roland Siedl, Regionalsprecher der Grünen Wirtschaft.
Forderung: Oberösterreichische Lösung auch fürs Burgenland
Aufgrund des Wahlbetruges in OÖ haben die wahlwerbenden Parteien für die Wahl 2025 eine Präambel beschlossen, die folgende Punkte beinhaltet:
· mehr Zeit bei der Auszählung durch Anpassung der Öffnungszeiten/Wahltage
· eine Anlaufstelle für Auffälligkeiten, Dokumentation und Bericht an die HWK
· Protokollierung der Abgabe von mehreren Wahlkarten durch einen Absender oder Auffälligkeiten dabei
· Zugang zu Wahlkartenantragsformularen wird erleichtert
· Leitfaden für wahlwerbende Gruppen über rechtlich korrektes Verhalten im Wahl- und Vorwahlprozess.
Es ist dringend notwendig, Reformen einzuleiten. Für die Wahl im März 2025 ist es dafür leider schon zu spät.
Situation der 24-Stunden-Betreuer*innen in Österreich beschämend
Die Grüne Wirtschaft setzt sich seit jeher für die Berufsgruppe der 24-Stunden-Betreuer*innen (Personenbetreuer*innen) und einer Verbesserung ihrer Interessensvertretung innerhalb der Wirtschaftskammer ein. Eine aktuelle Studie über die 24-Stunden-Betreuung in Österreich“ (IG24 in Kooperation mit FORBA und der Universität Wien) zeigt unhaltbare Bedingungen. Eine Trennung der Personenbetreuer*innen von den Vermittlungsagenturen in der Interessenvertretung WKO scheint naheliegend. Kritik von Befragten richtet sich vor allem gegen die Agenturen und betrifft Intransparenz bei den Verträgen, schlechte Verdienstmöglichkeiten und mangelnde Information über die Klient*innen, neben unzureichender sozialer Absicherung und den Arbeitszeiten.